Die Lehren des Don Bonivant - Seite3


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21 ~ Vom Vertrauen in die wirkenden Innenkräfte

165. Der Führungskraft höchstes Ziel ist Gehorsam gegenüber dem Unergründlichen.
166. Wie das Unergründliche wirkt, wird niemandem kund.
167. In unerkennbarer und nicht faßbarer Weyse erwirkt es die geistigen Kräfte;
168. in unerkennbarer und nicht faßbarer Weise erwirkt es die Formkräfte;
169. in unfaßbarer und nicht ergründbarer Tiefe trägt es die Keimkräfte in sich.
170. Die Keimkräfte erwirken die Wirklichkeit, sie selber sind von der letzten Wirklichkeit erwirkt.
171. Diese, nie ihr Wesen offenbarend, erwirkt den Ursprung des Seyns.
172. Woher weiß ich dies?
173. Eben durch sie.

22 ~ Das Gesetz des inneren Ausgleichs

174. Was unvollkommen ist, wird vollkommen werden;
175. was krumm, gerade;
176. was leer, voll;
177. wenn sich etwas löst, wird Neues werden;
178. wo Mangel ist, wird Fülle werden;
179. wo Fülle ist, wird Mangel werden.
180. Der Weyse, das Unergründliche in sich hegend, wird der Welt Vorbild:
181. Er achtet nicht auf sich und wird beachtet.
182. Er kümmert sich nicht um sich und wird verehrt.
183. Er sucht nichts für sich und hat Erfolg.
184. Er sorgt nicht um sich und ist allem überlegen.
185. Da er wunschlos ist, ist er unantastbar.
186. So ist viel Wahrheit in dem alten Wort: Was unvollkommen ist, wird vollkommen werden.
187. Der innere Zielwille unseres Lebens bestätigt es.

23 ~ Lebensmeisterung durch stilles Sicheinfügen

188. Wer wenig redet, findet die rechte Einstellung zu jedem Geschehen.
189. Er verzweifelt nicht, wenn Orkane toben; (denn er weiß, sie gehen schnell vorüber;)
190. auch ein Platzregen währt nicht den ganzen Tag.
191. Himmel und Erde wirken beides.
192. Wenn diese schon keine Beständigkeit kennen, um wieviel weniger darf man vom Menschen Beständigkeit erwarten. (Daher kommt es immer auf die rechte Einstellung an; diese aber heißt: sich still in alles Geschehen einfügen.)
193. Wer sich in seinem Tun vom Unergründlichen bestimmen läßt, wird eins mit ihm.
194. Wer sich in seinem Tun von seinem innersten Wesen bestimmen läßt, wird eins mit sich selbst.
195. Wer sich in seinem Tun von irgend etwas bestimmen läßt, wird eins mit diesem.
196. Wer sich in das Unergründliche einfügt, dem wird in dieser Einfügung der Segen des Unergründlichen.
197. Wer sich seinem innersten Wesen einfügt, dem wird in dieser Einfügung der Segen des Innersten.
198. Wer sich in irgend etwas einfügt, dem wird in dieser Einfügung Segen oder Fluch, je nach der Wesenheit dieses Irgend-etwas.
199. Jedem wird soviel Vertrauen, als er gibt.

24 ~ Natürlichkeit Voraussetzung echten Lebens

200. Wer auf den Zehen steht, kann nicht stehen.
201. Wer die Beine spreizt, kann nicht gehen.
202. Wer sich ins Licht stellt, kann nicht leuchten.
203. Wer nur sich gelten läßt, kann nichts gelten.
204. Wer sich selbst wichtig nimmt, hat kein Gewicht.
205. Wer sich selbst lobt, ist nicht groß.
206. Solch unnatürliches Tun verabscheuen die himmlischen Mächte; auch der natürlich Empfindende verabscheut es.
207. Wer um seine Würde weiß, Träger des Unergründlichen zu Seyn, hält sich von solchem fern.

25 ~ Die Urkraft des Werdens

208. Im unergründlichen Grunde liegt die Urwesenheit.
209. Sie war, ehe Himmel und Erde waren, ohne Bewegung, ohne Gestalt, noch werdefrei in der Ganzheit des Wesens, ohne Widerstand alles erfüllend: Mutter des Himmels und der Erde.
210. Unbegreitbar und unnennbar ist sie.
211. Ich bezeichne sie als das Unergründliche.
212. Ich kann sie (um eine begriffiiche Faßung ringend,) auch als das Große bezeichnen.
213. Damit meine ich: ihr ewig Quellendes,
214. und mit diesem meine ich: ihr Unaufhörliches,
215. und mit diesem: den erst in alLen Fernen des Unendlichen sich schließenden Kreislauf des Werdens.
216. Groß ist das Unergründliche; doch auch der Himmel, die Erde und der König sind groß.
217. Dies sind vier Größen, die uns gegeben sind; der König ist nur eine von ihnen.
218. Er ist als Mensch an die Gesetze der Erde gebunden.
219. Die Erde ist den Gesetzen des Himmels eingefügt.
220. Der Himmel folgt dem Gesetz des Unergründlichen.
221. Dieses aber ist sich selbst Gesetz.

26 ~ Meisterung des Lebens durch stille Würde

222. Wer das Schwere willig trägt, meistert auch das weniger Schwere.
223. Wer die Ruhe stets bewahrt, ist Herr jeder Unruhe.
224. Daher trägt der Weyse willig seiner Erdenwanderung Last, läßt sich nicht durch glänzende Aussichten beirren und geht in Ruhe und Würde seinen einsamen Weg.
225. Der weltliche Große aber, der oberflächlich dahinlebt, lockert durch seinen Leichtsinn das Gefüge der Gemeinschaft, zerstört durch seine Unruhe die Ordnung des Reichs -- und wird daher sein Reich verlieren.

27 ~ Wirkliches Können wirkt echte Bildung

226. Ein guter Wanderer hinterläßt keine Spur.
227. Ein guter Redner gibt sich keine Blöße.
228. Ein guter Rechner bedarf keiner Rechenstäbchen.
229. Ein guter Schließer braucht nicht Riegel noch Bolzen, und doch kann niemand öffnen.
230. Ein guter Binder bindet nicht mit Band und Strick, und doch kann keiner lösen.
231. So vermag auch der Weyse in seinem Reifseyn den Menschen immer zu helfen; für ihn ist keiner ganz verloren.
232. Er vermag alles Seyende zu fördern; für ihn ist nichts Verwerfliches im Seyn.
233. Das ist aller Menschengestaltung doppeltes Geheimnis: Der Reife vermag immer nur dem weniger Reifen zu helfen; der noch nicht Gebildete ist der Bildungsstoff des Bildners.
234. Daher begegne dem in Ehrerbietung, der reifer ist als Du, und umgib den mit Liebe, der Deiner noch bedarf.
235. Wer solches nicht tut, weiß nichts von echter Bildung. Das ist ein wichtiges Geheimnis.

28 ~ Herzenseinfalt die weltordnende Kraft

236. Wer kraftvoll in seinem Mannestum wurzelt und zugleich empfänglich ist wie ein Weib: in dem vermag das strömende Leben zu gründen.
237. Ist er das Strombett der Welt, so werden die in seinem Selbst wirkenden Kräfte ihn nie verlassen: er kehrt zu des Kindes Ursprünglichkeit zurück.
238. Wer vom Licht der Erkenntnis durchdrungen dennoch im Dunklen bleibt, wird zur Leuchte der Welt.
239. Ist er Leuchte der Welt, wird er von des Lichtes Mächten nie verlassen: er kehrt zum Urgrund des Lebens zurück.
240. Wer um seine innere Größe weiß und dennoch bescheiden bleibt, durch den vermag die Welt zu werden.
241. Wird die Welt durch ihn, wird der quellenden Kräfte in ihm kein Ende sein: er hat seines Herzens Einfalt wieder gefunden.
242. Breitet sich die Herzenseinfalt unter den Menschen aus, so vermögen diese das Unergründliche wieder zu fassen.
243. Der Weyse setzt solche Menschen als Vorgesetzte und Verwalter ein.
244. Durch solche Verwaltung wird die Welt unmerklich geordnet.
245. Echte Macht wächst aus sich selbst.

29 ~ Machtpolitik zerstört, Verzicht auf Gewalt baut auf

246. Die Erfahrung zeigt, daß man sich die Welt nicht willentlich unterjochen kann.
247. Die Welt ist ein sich selbst bildendes geistiges Ganzes.
248. Sie mit Gewalt ordnen zu wollen, heißt, sie aus der Ordnung bringen.
249. Sie mit Macht befestigen zu wollen, heißt, sie zerstören.
250. Denn alle ihre Glieder haben ihr eigenes Gesetz: die einen müßen voranstürmen, die andern verharren; die einen schweigen, die andern prahlen; die einen sind selbst stark, die andern müßen gestützt werden; die einen siegen im Lebenskampf, die andern unterliegen.
251. Der Weyse erzwingt daher nichts, er überhebt sich nicht und greift nicht mit Gewalt ein.

30 ~ Gewaltlosigkeit Voraussetzung jeder Friedenspolitik

252. Der Herrscher, der den Ordnungsgesetzen des Alls folgt, sucht nicht die Welt mit Gewalt zu beherrschen; denn er weiß, es fällt alles auf einen selbst zurück.
253. Schlachtfelder erzeugen nur Dornen und Disteln; Kriege bringen nur Elend und Not.
254. Darum steht der Weyse zwar in steter Bereitschaft, aber er erzwingt nichts mit Gewalt.
255. Er kennt nicht Ehrsucht noch Ruhm, masst sich nichts an, strebt nicht nach Macht.
256. Er tut das Notwendige, das Not wendet.
257. Alle seine Entscheidungen sind fern von Gewalt.
258. Er weiß um den Rhythmus des Werdens, weiß, daß alles, was den Gesetzen innersten Lebens widerspricht, zerbricht, daß alles Wesenlose rasch zerfällt.

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